Liebeskummer



Trost in Tränen

Wie kommt's, daß du so traurig bist,
Da alles froh erscheint?
Man sieht dir's an den Augen an,
Gewiss, du hast geweint.

"Und hab ich einsam auch geweint,
So ist's mein eigner Schmerz,
Und Tränen fließen gar so süß,
Erleichtern mir das Herz."

Die frohen Freunde laden dich:
O, komm an unsre Brust!
Und was du auch verloren hast,
Vertraue den Verlust.

"Ihr lärmt und rauscht und ahnet nicht,
Was mich, den Armen, quält.
Ach nein, verloren hab ich's nicht,
So sehr es mir auch fehlt."

So raffe dich denn eilig auf!
Du bist ein junges Blut.
In deinen Jahren hat man Kraft
Und zum Erwerben Mut.

"Ach nein, erwerben kann ich's nicht,
Es steht mir gar zu fern.
Es weilt so hoch, es blinkt so schön,
Wie droben jener Stern."

Die Sterne, die begehrt man nicht,
Man freut sich ihrer Pracht,
Und mit Entzücken blickt man auf
In jeder heitern Nacht.

"Und mit Entzücken blick ich auf,
So manchen lieben Tag;
Verweinen lasst die Nächte mich,
Solang ich weinen mag."

Johann Wolfgang von Goethe


Erster Verlust

Ach, wer bringt die schönen Tage,
Jene Tage der ersten Liebe,
Ach, wer bringt nur eine Stunde
Jener holden Zeit zurück!

Einsam nähr' ich meine Wunde,
Und mir stets erneuter Klage
Traur' ich ums verlorne Glück.

Ach wer bringt die schönen Tage,
Jener holden Zeit zurück!

Johann Wolfgang von Goethe


Nacht

Mein Hoffen ist dahin, denn keine Liebe,
Nun weiß ich es, kann sie mir je gewähren,
Des Lebens höchstes Glück muss ich entbehren
Unglücklich lieben, ohne Gegenliebe. -

Das also ist die Frucht so reicher Liebe,
Dass ich mich muss in eigner Glut verzehren;
Sie hasset mich, drum will sie mich nicht lehren,
Wie man entgeht so unbegrenzter Liebe. -

Ach Tränen können Lind'rung nicht gewähren,
Sie fließen aus dem Feuerquell der Liebe
Und können nur den Flammenschmerz mir mehren.

Wenn auch durch Liebe könnt' erwerben Liebe,
Dann würde sie schon längst mir angehören
Durch meine reiche, grenzenlose Liebe.

Ludwig Robert


Der Händedruck

Sie hätte meine Hand gedrückt?
Die Hand sagt: "Nein! dich täuscht Verlangen.
Es hat dein Herz dich nur berückt,
Als sie vorüber ist gegangen."

"Ja!" spricht dagegen hoch im Brand
Mein volles Herz . Wem soll ich glauben?
Das Herz fühlt zarter als die Hand;
Ich lasse mir mein Glück nicht rauben.

Friedrich von Heyden


Wenn die Sonne weggegangen

Wenn die Sonne weggegangen,
Kommt die Dunkelheit heran,
Abendrot hat gold'ne Wangen,
Und die Nacht hat Trauer an.

Seit die Liebe weggegangen,
Bin ich nun ein Mohrenkind,
Und die roten, frohen Wangen
Dunkel und verloren sind.

Dunkelheit muss tief verschweigen
Alles Wehe, alle Lust,
Aber Mond und Sterne zeigen,
Was ihr wohnet in der Brust.

Wenn die Lippen dir verschweigen
Meines Herzens stille Glut,
Müssen Blick und Tränen zeigen,
Wie die Liebe immer ruht.

Clements Brentano


Zur Unzeit

Ich wollte, wie gerne, dich herzen,
Dich wiegen in meinem Arm,
Dich drücken an meinem Herzen,
Dich hegen so traut so warm.

Man verscheucht mit Rauch die Fliegen,
Mit Verdrießlichkeit wohl den Mann;
Und woll' ich an dich mich schmiegen,
Ich täte nicht weise daran.

Wohl zieht vom strengen Norden
Ein trübes Gewölk herauf,
Ich bin ganz stille geworden,
Ich schlage die Augen nicht auf.

Adalbert von Chamisso


Blick und Gegenblick

Wenn dein Aug' in meines blickt,
Sieht dein Herz das meine,
Und es weiß wohl, was mich drückt,
Und warum ich weine.

Seh' ich dann in dein's hinein,
Muss ich ach! gestehen,
Alles würde besser sein,
Wär' es mir geschehen.

Karl Foerster


's ist vorüber

Ach, die Welt wird immer enger,
Ach, der Busen immer bänger;
Immer näher zieht's wie Hauch der Grüfte,
Und des Himmels liebe klare Lüfte
Immer trüber!

Sie sitzt stumm auf ihrem Zimmer,
Ich irr' um bei Sternenschimmer;
Eines zu dem andern gerne möchte
Aber beide, leider, sind im Rechte,
's ist vorüber.

Karl Immermann


An Agnes

Wo kein Strahl des Lichtes blinket,
Wo kein Tau von Tränen sinket
In die Stille nieder
Und hinaus in alle Weiten
Nächtlicher Vergessenheiten
Dringen deine Lieder.

Die entfloh'n und nicht mehr kamen,
Freuden mit verlor'nen Namen,
Kannst du wiederbringen;
Lauschend treten alle Schmerzen
Leiser auf in meinem Herzen,
Hören sie dich singen.

Nicolaus Lenau


Vorbei

Ich habe nur die Eine,
Nur dich, nur dich gekannt,
Ich habe dich die Meine,
Mein Herzenslieb genannt. -

Das Glück ist längst zerronnen,
Wer weiß wie viele Jahr.
Ich weiß nicht wie's gekommen.
War es wohl echt und wahr?

Willibald Alexis


An Emilie

Nein, du kannst es nicht verstehen,
Kannst den tiefen Schmerz nicht sehen,
Der mich fast zu Boden presst.
Deine Locken weht der West,
Deinen Sinn der Morgenwind
Und du tändelst wie ein Kind,
Lust umgeben; du verlernst
Ganz der liebe heil'gen Ernst,
Ganz der Liebe heil'gen Zügen,
Fliehst ein tieferes Vergnügen. -
Laufe hin - und scherz und flieh' -
Nimmer wird dir's deutlich werden,
Was der Himmel ist auf Erden;
Weine nie - und liebe nie!

Karl von Holtei


Der schwere Abend

Die dunklen Wolken hingen
Herab so bang und schwer,
Wir beide traurig gingen
Im Garten hin und her.

So heiß und stumm, so trübe
Und sternlos war die Nacht,
So ganz wie unsre Liebe
Zu Tränen nur gemacht.

Und als ich musste scheiden
Und gute Nacht dir bot,
Wünscht' ich bekümmert beiden
Im Herzen uns den Tod.

Nicolaus Lenau


Ich hatt' mal eine gute Zeit

Ich hatt' mal eine gute Zeit -
Kaum wie ein Hündlein bellt im Traum
Sprach ich von Liebesschmerzen;
Wie jeder mal im Märzen klagt,
Wenn schon der Frühling angesagt,
Und Hastigkeit die Glieder plagt;
Wenn Neugier durch die Äste jagt,
Wenn kahl noch der Kastanienbaum
Schier stündlich nach den Kerzen fragt.
So wie vom Regenschnee der Flaum
Rührte kaum Leid des Ärmels Saum,
Aufs Höchste spürte man's am Kleid.
Blitz lag noch nicht mit Blitz im Streit,
Die Liebe lief durch die Ewigkeit,
Kein Meilenstein stand weit und breit.
Die Sehnsucht traf noch nicht das Mark,
Ich sehnte mich am Sehnen stark,
Blau war noch die Unendlichkeit -
Ich hatt' mal eine gute Zeit.

Max Dauthendey


Der Liebesgarten

Wenn Nachts der freundliche Schlummer
Die silbernen Fäden webt,
Da trägt es mich flugs in ein Gärtchen.
Wo Liebe nur schafft und lebt.

Drin grünet manch seliges Plätzchen,
Drin blühet manch lieblicher Strauß;
Da pfleg' ich mein friedliches Gärtchen
Und schmück' es gar sorglich aus:

Mit Freuden und Leiden der Liebe,
Bis der purpurne Morgen kam,
Doch nicht mit all meinen Freuden
Und nicht mit all meinem Gram!

Denn würde zur farbigen Blume
Jedweder selige Traum,
Für all die Blüten und Blumen
Wär' in dem Gärtchen nicht Raum.

Und fiele gar jegliche Träne
Als Tau auf die Fluren schwer,
Bald sähe man statt des Gärtchens
Ein blitzendes Perlenmeer.

Und lächelten Blicke der Liebe
Als Sonnen von Himmelshöhn,
Bald glänzten aufs Gärtchen mehr Sonnen,
Als Halme auf Wiesen stehn.

Und flatterte jegliches Küsschen
Als farbiger Schmetterling,
Bald blühten zu wenig der Blumen
Den Faltern im Gartenring.

Doch trübte jeglicher Zwiespalt
Als Wolke der Sonnenschein,
Traun, oben am Himmel blieb' es
Wohl ewig heiter und rein.

Und wüchse jegliche Untreu
Des Liebchens als Schierlingskraut,
Ich hätte die Schierlingsstaude
Im Gärtchen noch nie erschaut.

So träum' ich mir nachts mein Gärtchen
Aus der Liebe Freuden und Gram;
Wie anders doch ist es zu schauen,
Wenn wieder der Morgen kam.

Die Falter sind all' entflogen,
Die Sonnen sind alle verglüht,
Die seligen Plätzchen verschwunden,
Die Blumen versengt und verblüht.

Der einzige Tau sind die Tränen,
Der Schierling das einzige Grün,
Und über erstorbenen Keimen
Ziehn düstere Wolken dahin.

Anastasius Grün


Die Verlassene

In des Märzes rauen Tagen
Bist du Freundin mir, Natur!
Alle deine Kinder tragen
Eines dunklen Schmerzes Spur.

Welk geworden sind die Wiesen
Von des Winters hartem Druck,
Und des Waldes stolze Riesen
Stehn so düster, ohne Schmuck.

Selbst die Vögel schlüpfen leise,
Ängstlich fast von Zweig zu Zweig,
Zwitschern kaum noch trübe Weise,
An Gesängen sonst so reich.

Diese Welt, so ohne hoffen,
Wie dem Herzen sie behagt,
Das, dem Glauben allzu offen,
Nun der Liebe Gram zernagt!

Du Natur, mit Muttermilde
Schauest deiner Kinder Schmerz,
Schickst den Lenz in die Gefilde,
Trost zu bringen allerwärts.

Und es grünen neu die Wiesen,
Blumenschimmer sie durchglänzt,
Und des Waldes stolze Riesen
Stehn so freundlich, laubbegränzt.

Unter dichten Blütenflocken
Wird zum heimlich stillen Nest
Seine Braut der Vogel locken -
Halte, Liebchen, halt' ihn fest!

Alles Freude, alles Hoffen!
Flüchte du, mein Herz, verzagt,
Das, dem Glauben allzu offen,
Nun der Liebe Gram zernagt.

Nikolaus Becker


Frauenhand

Ich weiß es wohl, kein klagend Wort
Wird über deine Lippen gehen;
Doch, was so sanft dein mund verschweigt,
Muss deine blasse Hand gestehen.

Die Hand, an der mein Auge hängt,
Zeigt jenen feinen Zug der Schmerzen,
Und das in schlummerloser Nacht
Sie lag auf einem kranken Herzen.

Theodor Storm


Auf geheimen Waldespfaden

Auf geheimen Waldespfaden
Schleich ich gen im Abendschein
An das öde Schilfgestade,
Mädchen, und gedenke dein.

Wenn sich dann der Busch verdüstert,
Rauscht das Rohr geheimnisvoll,
Und es klaget und es flüstert,
Dass ich weinen, weinen soll.

Und ich mein, ich höre wehen,
Leise deiner Stimme Klang,
Und im Weiher untergehen
Deinen lieblichen Gesang. -

Nicolaus Lenau


Ich darf dich nicht lieben

Ich darf dich nicht lieben und kann dich nicht hassen,
Ich darf dich nicht halten und kann dich nicht lassen:
O sage, wie lös' ich den bitteren Streit?

Und ach, was das innerste Herz mir zerrissen,
Ich kann's nicht ertragen - und möchte es nicht missen,
Das quälend verlockende wonnige Leid.

Ich kann dich nicht hassen und darf dich nicht lieben,
So steht es im Buch der Geschicke geschrieben -
O schmerzlicher Kampf, der das Herz mir entzweit!

Ich kann dich nicht lassen und darf dich nicht halten,
So wollen es ewiger Sterne Gewalten -
O sage, wie lös' ich den bitteren Streit?

Vergebens in einsamen Nächten und Tagen
Erneu'r ich sie wenig, die schwerste der Fragen,
Und nähre das quälende, wonnige Leid.

Ich darf dich nicht lieben und kann dich nicht hassen,
Ich darf dich nicht halten und kann dich nicht lassen -
O sage, wie lös' ich den bitteren Streit?

Robert Hamerling


Immer leiser wird mein Schlummer

Immer leiser wird mein Schlummer,
Nur wie ein Schleier liegt mein Kummer
Zitternd über mir.
Oft im Traum hör' ich dich
Rufen drauß vor meiner Tür;
Niemand wacht und öffnet dir,
Ich erwach' und weine bitterlich.
Ja ich werde sterben müssen,
Eine andre wirst du küssen,
Wenn ich bleich und kalt,
Eh' die Maienlüfte wehen,
Eh' die Drossel singt im Wald;
Willst du mich noch einmal sehen,
Komm, o komme bald!

Hermann Lingg


Am fernen Horizonte

Am fernen Horizonte
Erscheint, wie ein Nebelbild,
Die Stadt mit ihren Türmen
In Abenddämmerung gehüllt.

Ein feuchter Windzug kräuselt
Die graue Wasserbahn;
Mit traurigem Takte rudert
Der Schiffer in meinem Kahn.

Die Sonne hebt sich noch einmal
Leuchtend vom Boden empor,
Und zeigt mir jene Stelle,
Wo ich das Liebste verlor.

Heinrich Heine


Die Zeit ist hin

Die Zeit ist hin: du löst dich unbewußt
Und leise mehr und mehr von meiner Brust;
Ich suche dich mit sanftem Druck zu fassen,
Doch fühl ich wohl, ich muss dich gehen lassen.

So lass mich denn, bevor du weit von mir
Ins Leben gehst, noch einmal danken dir;
Und magst du nie, was rettungslos vergangen,
In schlummerlosen Nächten heimverlangen.

Hier steh ich nun und schaue bang zurück;
Vorüber rinnt auch dieser Augenblick,
Und wie viel Stunden dir und mir gegeben,
Wir werden keine mehr zusammenleben.

Theodor Storm


O sieh mich nicht so lächelnd an

O sieh mich nicht so lächelnd an,
Du Röslein jung, du schlankes Reh!
Dein Blick, der jedem wohlgetan,
Mir tut er in der Seele weh;
Mein Herz wird trüb und trüber
Bei deiner Freundlichkeit;
Vorüber ist, vorüber
Der Liebe Zeit. -

Ja wär ich jung und froh wie du,
Und wär ich so frisch, und wär ich so rein:
Wie schlüge mein Herz dem deinen zu,
Wie könnten wir selig zusammen sein!
Wie sollte durchs Gemüte
Mir ziehn ein süßer Traum!
Doch so - was soll die Blüte
Am welken Baum?

Mein Leben liegt im Abendrot,
Deins tritt erst ein in den sonnigen Tag:
Mein Herz ist starr, mein Herz ist tot,
Deins hebt erst an den lustigsten Schlag;
Du schaust nach deinem Glücke
In goldne Fernen weit,
Ich blicke schon zurücke
In alte Zeit.

Drum sieh mich nicht so freundlich an,
Du Röslein jung, du schlankes Reh!
Dein Blick, der jedem wohlgetan,
Mir tut er in der Seele weh.
Lass scheiden mich und wandern
Die Welt hinauf, hinab,
Du findest einen andern,
Und ich - ein Grab.

Emanuel Geibel


Unvergessen

O mögen mir den Tag die Götter schenken,
Wo ich imstand dich zu vergessen bin!
Wann aber wird mir solches Glücks Gewinn?
Wo meine Arme deinen sich verschränken,
Wo ich von dir geschieden bin, da lenken
Sich ewig die Gedanken nach dir hin;
Nur deine Gegenwart vermag den Sinn
In selige Vergessenheit zu senken.
Weil ich denn kann aufhören, dich zu denken,
Nur wenn ich unaufhörlich bei dir bin;
O mögen mir das Los die Götter schenken,
Dass ich imstand dich zu vergessen bin!

Friedrich Rückert


Abendstunde

So taukühl geht der Tag zu Ende,
Die Linde rauscht, davor wir stehn,
Gib mir noch einmal deine Hände,
Es ist auf Nimmerwiedersehn.

Die Sonne schied, die Menschen scheiden,
Wie ist die junge Liebe schön!
Die Linde rauscht, wir müssen's leiden,
Es ist auf Nimmerwiedersehn.

Karl Stieler


Abschied

Die Blume bricht des Nordwinds Hauch,
Der Schmerz an meinem Herzen frisst;
Ob glänzender dein Elend auch,
Ich weiß, dass du doch elend bist.

Mein Her, das heiß für dich gepocht,
Birgt einen Schatz von reinem Gold;
Du hättst zu heben ihn vermocht,
Du aber hast es nicht gewollt.

Wir könnten beide glücklich sein;
Du weißt es wohl und willst es nicht.
O mög es nimmer dich gereun!
Leb wohl! Dies sei mein letzt Gedicht!

Heinrich Leuthold


Scheiden, Leiden

Und bist du fern, und bist du weit
Und zürnst noch immer mir,
Doch Tag und Nacht voll Traurigkeit
Ist all mein Sinn bei dir.
Ich denk an deine Augen blau
Und an dein Herz dazu, -
Ach keine, keine find ich je,
Die mich so liebt wie du.

Wie stand die Welt in Rosen schön,
Da ich bei dir noch war,
Da rauscht es grün von allen Höhn,
Da schien der Mond so klar.
Du brachst die Ros', ich küsste dich,
Ich küsst und sang dazu:
Wohl keine, keine find ich je,
Die mich so liebt wie du.

Wohl bin ich frei nun wie der Falk,
Der über die Berge fliegt,
Vor dem die Welt, die schöne Welt
Hell sonnig offen liegt;
Doch hat der Falk sein heimisch Nest,
Und wo wird mir einst Ruh?
Ach keine, keine find ich je,
Die so mich liebt wie du.

O schlimmer Tag, o schlimme Stund,
Die uns für immer schied;
Da sind aus meines Herzens Grund
Geschieden Freud und Fried.
Nun such ich wohl durch Land und See
Und habe nicht Rast noch Ruh;
Doch keine, keine find ich je,
Die so mich liebt wie du.

Emanuel Geibel


O frag mich nicht

Warum ich, Liebste, mich von dir geschieden?
O frag mich nicht!
Warum mein Aug hat dich zu sehn vermieden?
O frag mich nicht!
Wer fragt, warum ohn Heimat, Gut und Habe
Ein Bettler geht?
Warum von dir ich ging am Wanderstabe,
O frag mich nicht!
Geliebte, ob in dieses Busens Räumen
Dein Blick noch lebt,
Ob ich dich reden hör in allen Träumen,
O frag mich nicht!
Der Morgensonne hab ich vom Geschicke
Und dir erzählt,
Was ich dem Mond vertraut mit feuchtem Blicke,
O frag' mich nicht!
Die Sterne alle sprechen vom Entsagen;
So lass mich denn
Entsagen, und wie ich es werd ertragen,
O frag mich nicht.
Geliebte! Wann wir wiedersehn uns werden?
Mein äußeres Aug,
Es hofft nicht wieder dich zu sehn auf Erden,
O frag' mich nicht!
Wenn dieser Erdentrauer dunkle Stoffe
Der Tod gelöst,
Ob droben ich im Licht zu sehn dich hoffe,
O frag mich nicht!
Ja, hoff ich dort die Augen aufzuschlagen
Frei gegen dich,
Zu geben Antwort allen deinen Fragen,
O frag' mich nicht!

Friedrich Rückert


Der Stern der Liebe

Es fällt ein Stern herunter
Aus seiner funkelnden Höh!
Das ist der Stern der Liebe,
Den ich dort fallen seh!

Es fallen vom Apfelbaume
Der Blüten und Blätter viel.
Es kommen die neckenden Lüfte
Und treiben damit ihr Spiel.

Es singt der Schwan im Weiher,
Und rudert auf und ab
Und immer leiser singend
Taucht er ins Flutengrab.

Es ist so still und dunkel!
Verweht ist Blatt und Blüt,
Der Stern ist knisternd zerstoben,
Verklungen das Schwanenlied.

Heinrich Heine


Du liebst mich nicht

Du liebst mich nicht,
Und wie auch könntest du mich lieben?
Du bist das Licht,
Ich bin der Schatten stets geblieben.

Ein Schatten nur
Verfolg' ich liebend dich auf Erden;
Auf dieser Spur
Muß mir das Glück des Himmels werden.

Erlisch noch nicht
Mit deinem Wonnestrahlenkranze!
Du selig Licht,
Laß sterben mich in deinem Glanze!

Hoffmann von Fallersleben


Jahrmarkt

Sind's die Häuser, sind's die Gassen?
Ach, ich weiß nicht, wo ich bin!
Hab' ein Liebchen hier gelassen,
Und manch Jahr ging seitdem hin.

Aus den Fenstern schöne Frauen
Seh'n mir freundlich ins Gesicht,
Keine kann so fröhlich schauen,
Als mein liebes Liebchen sicht.

An dem Hause poch' ich bange -
Doch die Fenster stehen leer,
Ausgezogen ist sie lange,
Und es kennt mich keiner mehr,

Und ringsum ein Rufen, Handeln,
Schmucke Waren, bunter Schein,
Herr'n und Damen gehn und wandeln
Zwischendurch in bunten Reih'n.

Zierlich Bücken, freundlich Blicken,
Manches flücht'ge Liebeswort,
Händedrücken, heimlich Nicken -
Nimmt sie all der Strom mit fort.

Und mein Liebchen sah ich eben
Traurig in dem lust'gen Schwarm,
Und ein schöner Herr daneben
Führt sie stolz und ernst am Arm.

Doch verblasst war Mund und Wange,
Und gebrochen war ihr Blick,
Seltsam schaut' sie stumm und lange,
Lange noch auf mich zurück. -

Und es endet Tag und Scherzen,
Durch die Gassen pfeift der Wind -
Keiner weiß, wie uns're Herzen
Tief von Schmerz zerrissen sind.

Joseph von Eichendorff


Zerstoben sind die Wolkenmassen

Zerstoben sind die Wolkenmassen,
Die Morgensonn' ins Fenster scheint:
Nun kann ich wieder mal nicht fassen,
Daß ich die Nacht hindurch geweint.

Dahin ist alles, was mich drückte,
Das Aug' ist klar, der Sinn ist frei,
Und was nur je mein Herz entzücke,
Tanzt wieder, lachend, mir vorbei.

Es grüßt, es nickt; ich steh' betroffen,
Geblendet schier von all dem Licht:
Das alte, liebe, böse Hoffen -
Die Seele läßt es einmal nicht.

Theodor Fontane


Erinnerung

Hab' ich mich nicht losgerissen,
Nicht mein Herz von ihr gewandt,
Weil ich sie verachten müssen,
Weil ich wertlos sie erkannt?

Warum steht in holdem Bangen
Sie denn immer noch vor mir?
Woher dieses Glutverlangen,
Das mich jetzt noch zieht zu ihr?

Tausend alte Bilder kommen,
Ach! und jedes, jedes spricht:
Ist der Pfeil auch weggenommen,
Ist es doch die Wunde nicht.

Franz Grillparzer


Vergilbte Blätter

Weil du mir zu früh entschwunden
Blieb ein unerfülltes Glück
Ungemess'ner schöner Stunden
Ruhelos in mir zurück.

Ungeküßte Küsse leben
In getrennten Herzen fort,
Und die Lippe fühlt noch beben
Das zu früh verstummte Wort.

Hermann Lingg


Bei einer Linde

Seh' ich dich wieder, du geliebter Baum,
In dessen junge Triebe
Ich einst in jenes Frühlings schönsten Traum
Den Namen Schnitt von meiner ersten Liebe?

Wie anders ist seitdem der Äste Bug,
Verwachsen und verschwunden
Im härt'ren Stamm der vielgeliebte Zug,
Wie ihre Liebe und die schönen Stunden!

Auch ich seitdem wuchs stille fort, wie du,
Und nichts an mir wollt' weilen,
Doch m e i n e Wunde wuchs - und wuchs nicht zu,
Und wird wohl niemals mehr hienieden heilen.

Joseph Freiherr von Eichendorff


Ein Letztes

Oft denk ich: wenn du bei mir wärest
Und meiner Sehnsucht wilde Flut
Sich in dein liebes Herz ergösse,
Dann wäre Alles, Alles gut!

Und schüttle dann die Stirne leise
Und weiß - es bliebe d o c h ein Rest,
Der auch vom treusten Menschenherzen
Sich nicht zur Ruhe bringen läßt.

Anna Ritter


Am Flusse

Verfließet, vielgeliebte Lieder,
Zum Meere der Vergeßenheit!
Kein Knabe sing' entzückt euch wieder,
Kein Mädchen in der Blütenzeit.

Ihr sanget nur von meiner Lieben;
Nun spricht sie meiner Treue Hohn.
Ihr wart ins Wasser eingeschrieben;
So fließt denn auch mit ihm davon.

Johann Wolfgang von Goethe


Dämmerung

O süßer Blick, Pfeil; holdes Liebeszeichen,
Der mir in's innerste Gemüt gedrungen;
Der mein bezwungnes Herz auf's Neu' bezwungen
Der mich in süßen Tränen sah erweichen.

Dem alle vergangene Qual musst entweichen,
Der allen künft'gen Schmerz in sich verschlungen,
Der keiner Sterblichen je so gelungen,
O Blick, mit keinem Glücke zu vergleichen.

Sag, darf ich glauben, dass du mich beglücket?
Zwar könnte dies nicht meine Liebe mehren,
Doch würd' ich schnell von Wechselpein genesen.

Allein wenn einzig Mitleid du gewesen,
Dass sie mir keine Hilfe kann gewähren;
Dann wollt' ich: hätt' ich nimmer sie erblicket.

Ludwig Robert


Liebesbedürfnis

Wer vernimmt mich? Ach, wem soll ich's klagen?
Wer's vernähme, würd' er mich bedauern?
Ach, die Lippe, die so manche Freude
Sonst genossen hat und sonst gegeben,
Ist gespalten, und sie schmerzt erbärmlich.
Und sie ist nicht etwas wund geworden,
Weil die Liebste mich zu wild ergriffen, daß sie fester,
Sich des Freundes versichernd, ihn genösse:
Nein, das zarte Lippchen ist gesprungen,
Weil nun über Reif und Frost die Winde
Spitz und scharf und lieblos mir begegnen.

Und nun soll mir Gast der edlen Traube
Mit dem Saft der Bienen, bei dem Feuer
Meines Herdes vereinigt, Lind'rung schaffen.
Ach, was will das helfen, mischt die Liebe
Nicht ein Tröpfchen ihres Balsams drunter?

Johann Wolfgang von Goethe