Vermissen



An's Liebchen

Warum ich oft so lange
Dir ins Gesicht geschaut,
In jene Augensterne,
Drin ewger Himmel blaut,
Und Stirne, Kinn und Wangen
Getreu mir eingeprägt,
Und jenes holde Lächeln,
Das um den mund sich regt?

Das war, damit - wenn ferne
Von dir ich weilen muss,
Und mich der Kummer plaget,
Mich necket der Verdruss, -
Ich schnell hervor mir rufe
Dein ganzes liebes Bild,
Das allen Gram verjaget
Und allen Kummer stillt.

Max Schneckenburger


Das Auge des Geliebten

Ach, warum in dieser Ferne,
Süßes Herz so weit von dir?
Alle Sonnen, alle Sterne
Öffnen ihre Augen mir,
Nur die reinsten, tiefsten Strahlen,
Nur das klarste, blau'ste Licht,
Drinn' sich Erd' und Himmel malen,
Nur dein treues Auge nicht!

Wilhelm Friedrich Waiblinger


Liebesgruß

Ich bin dir, ach, so ferne
Und möchte bei dir sein
Und sagte dir so gerne
Ein Wörtchen ganz allein.

Es grüßen Rosen ferne
Mit goldnem Strahl die Sterne
Und Herzen mit Gesang.

So wall', o Lied, als Bote
Zu ihrem Herzen hin,
Doch scheu vor ihrem Spotte,
Ertöne nicht zu kühn!

Nur schüchtern nah' dem Kreise,
Dem Himmel ihres Lichts:
Begrüße nur sie leise,
Vom Herzen sage nichts.

Robert Hamerling


Bewusstsein der Liebe

Als willenlos ich und geblendet stand
Zum ersten Mal vor deiner Schönheit Licht,
In deine Nähe fühlt' ich mich gebannt,
Doch Liebe, Glück und Scherz, ich ahnt' es nicht.

Und als auf mich dein Auge sich gewandt,
Und eine Zukunft lag in deinem Blick,
Mir war's als schaut' ich in's gelobte Land,
Doch träge zweifelnd hielt ich mich zurück.

Nun bist du fern, da scheiden Berg und Tal
Mich feindlich ab von meines Lebens Lust,
Und in dem Busen aller Sehnsucht Qual, -
Nun weiß ich, was ich lange nicht gewusst.

Franz Kugler


Abends

In stiller Dämmerstunde,
O Liebste, denk' ich dein;
Es perlt im Herzensgrunde
Mir der Erinn'rung Wein.

In diesem halben Schimmer,
Vom Tag nicht mehr belauscht,
Hast du mit mir ja immer
Der Liebe Luft getauscht.

Aus dieser Büsche düster
Ringt sich ein Säuseln los -
So hört ich dein Geflüster,
Mein Haupt auf deinem Schoß.

Es brennt auf meine Wangen
Durch's Laub des Abends Glut,
Wie gestern voll Verlangen
Die deinen dort geruht.

Im Busen tief beklommen
Hör' ich des Herzens Schlag,
Wie ich ihn da vernommen
Als ich an deinem lag.

Die Lippen mir ein lindes
Erbeben süß durchzückt;
Die langen Küsse sind es,
Die du auf sie gedrückt.

Doch still ist's in der Runde,
Und ich bin, ach, allein -
In weicher Dämmerstunde
O Liebste, denk ich dein!

Gottfried Kinkel


In der Ferne

Jetzt wird sie wohl im Garten gehen,
Der blüht und glüht im Sonnenlicht,
Und in die Ferne wird sie spähen -
Mich aber, ach! mich sieht sie nicht.

Und eine rose wird sie brechen,
Mit stummer Wehmut im Gesicht,
Und meinen Namen wird sie sprechen -
Ich aber, ach! ich hör' es nicht!

Robert Prutz


Die liebste Stimme

Sterne mit den goldnen Füßchen
Wandeln droben bang und sacht,
Dass sie nicht die Erde wecken,
Die da schläft im Schoß der Nacht.

Horchend stehn die stummen Wälder,
Jedes Blatt ein grünes Ohr,
Und der Berg, wie träumend streckt er
Seinen Schattenarm hervor.

Doch was rief dort? In mein Herze
Dringt der Töne Widerhall,
War es der Geliebten Stimme -
Oder nur die Nachtigall?

Heinrich Heine


Ach, um deine feuchten Schwingen

Ach, um deine feuchten Schwingen,
West, wie sehr ich dich beneide;
Denn du kannst ihm Kunde bringen,
Was ich in der Trennung leide!

Die Bewegung deiner Flügel
Weckt im Busen stilles Sehnen;
Blumen, Augen, Wald und Hügel
Wehn bei deinem Hauch in Tränen.

Doch dein mildes, sanftes Wehen
Kühlt die wunden Augenlider;
Ach, für Leid müßt' ich vergehen,
Hofft ich nicht zu sehn ihn wieder.

Eile denn zu meinem Lieben,
Spreche sanft zu seinem Herzen;
Doch vermeid ihn zu betrüben,
Und verbirg ihm meine Schmerzen.

Sag ihm, aber sag's bescheiden:
Seine Liebe sei mein Leben;
Freudiges Gefühl von beiden
Wird mir seine Nähe geben.

Marianne von Willemer


Liebeslied im Herbst

Ach, mein Herz ist bange,
Bange nach meiner Geliebten.
Sehnsucht hält die Schatten-
Flügel über mir.

Wolken fliehn im Winde;
In vergilbten Wipfeln
Stöhnt es: meine Seele
Singt und stöhnt nach ihr.

Du und unsre Liebe,
Du und dein Herz voller Güte! ...
O mein Glück, mein Leben:
Einsam bin ich hier.

Doch ich will nicht klagen.
Über die grauen Weiten
Spannt sich ein Liebesbogen
Hoch von mir zu dir.

Was die Liebe bindet,
Trennen nicht Berg und Meer.
Schließe die Augen: siehe! -:
Sieh, ich bin bei dir.

Otto Julius Bierbaum


Nähe

Ich tret in deinen Garten;
Wo, Süße, weilst du heut?
Nur Schmetterlinge flattern
Durch diese Einsamkeit.

Doch wie in bunter Fülle
Hier deine Beete stehn,
Und mit den Blumendüften
Die Weste mich umwehn!

Ich fühle dich mir nahe,
Die Einsamkeit belebt,
Wie über seinen Welten
Der Unsichtbare schwebt.

Ludwig Uhland


Du kommst zurück

Des Himmels Hoffnungsauge blaut, du kommst zurück!
Der Wolke Sehnsuchtswimper taut, du kommst zurück!
Am Strauch der Lust die Knospe der Erwartung bebt,
Die schwellend dir entgegenschaut, du kommst zurück!
Der Frühling kommt, die Blume des Genusses sprießt
Aus der Entsagung bitterm Kraut, du kommst zurück!
Nur um zu prüfen mein Vertraun, entflohst du mir;
O sieh, ich habe dir vertraut, du kommst zurück!
Den Gast der Liebe zu empfahn, hat sich das Herz
Als duftges Brautgemach erbaut, du kommst zurück!
Du ziehest durch das offne Tor des Auges ein,
Dich grüßt des Mundes Jubellaut: Du kommst zurück!
Du ziehst zu allen Sinnen ein, als Duft, als Glanz,
Und bist im Herzen meine Braut, du kommst zurück!

Friedrich Rückert


Mädchenklage

In meinem Garten die Nelken
Mit ihrem Purpurstern,
Müssen nun alle verwelken,
Denn du bist fern.

Auf meinem Herde die Flammen,
Die ich bewacht so gern,
Sanken in Asche zusammen,
Denn du bist fern.

Die Welt ist mir verdorben,
Mich grüßt nicht Blume, nicht Stern;
Mein Herz ist lange gestorben,
Denn du bist fern.

Emanuel Geibel


Der Bote

Am Himmelsgrund schießen
So lustig' die Stern',
Dein Schatz läßt dich grüßen
Aus weiter, weiter Fern'!

Hat ein Zither gehangen
An der Tür unbedacht't,
Der Wind ist gegangen
Durch die Saiten der Nacht.

Schwang sich auf dann vom Gewitter
Über die Berge, über'n Wald -
Mein Herz ist die Zither,
Gibt ein'n fröhlichen Schall.

Joseph Freiherr von Eichendorff


An Ada

Der Wald wird dichter mit jedem Schritt;
Kein Pfad mehr, kein Steig!
Nur die Quelle rieselt mit
Durch Farrenkraut und Brombeergezweig;
Ach, und unter den Eichenbäumen
Das Gras wie hoch, wie weich das Moos!

Und die himmlische Tiefe wolkenlos,
Wie blaut sie durch die Wipfel hier.

Hier will ich rasten und träumen,
Träumen von dir.

Emanuel Geibel


Schilflied

Auf dem Teich, dem regungslosen,
Weilt des Mondes holder Glanz,
Flechtend seine bleichen Rosen
In des Schiffes grünen Kranz.

Hirsche wandeln dort am Hügel
Blicken in die Nacht empor;
Manchmal regt sich das Geflügel
Träumerisch im tiefen Rohr.

Weinend muß mein Blick sich senken;
Durch die tiefste Seele geht
Mir ein süßes Deingedenken,
Wie ein stilles Nachtgebet.

Nikolaus Lenau


Goldne Brücken seien

Goldne Brücken seien
Alle Lieder mir,
Drauf die Liebe wandelt,
Süßes Kind, zu dir.

Und des Traumes Flügel
Soll in Luft und Schmerz
Jede Nacht mich tragen
An dein treues Herz.

Emanuel Geibel


Nachtlied

Der Mond kommt still gegangen
Mit seinem goldnen Schein,
Da schläft in holdem Prangen
Die müde Erde ein.

Im Traum die Wipfel weben,
Die Quellen rauschen sacht;
Singende Engel durchschweben
Die blaue Sternennacht.

Und auf den Lüften schwanken
Aus manchem treuen Sinn
Viel tausend Liebesgedanken
Über die Schläfer hin.

Und drunten im Tale da funkeln
Die Fenster von Liebchens Haus;
Ich aber blicke im Dunkeln
Still in die Welt hinaus.

Emanuel Geibel