Abschied



Lebe wohl

Lebe wohl, lebe wohl, mein Lieb!
Muss noch heute scheiden.
Einen Kuss, einen Kuss mir gib!
Muss dich ewig meiden.

Eine Blüt', eine Blüt' mir brich
Von dem Baum im Garten!
Keine Frucht, keine Frucht für mich!
Darf sie nicht erwarten.

Ludwig Uhland


Willkommen und Abschied

Es schlug mein Herz: geschwind zu Pferde!
Es war getan fast eh' gedacht;
Der Abend wiegte schon die Erde
Und an den Bergen hing die Nacht!
Schon stand im Nebelkleid die Eiche
Ein aufgetürmter Riese da,
Wo Finsternis aus dem Gesträuche
Mit hundert schwarzen Augen sah.

Der Mond von einem Wolkenhügel
Sah kläglich aus dem Duft hervor;
Die Winde schwangen leise Flügel,
Umsausten schauerlich mein Ohr;
Die Nacht schuf tausend Ungeheuer,
Doch frisch und fröhlich war mein Mut;
In meinen Adern welches Feuer!
In meinem Herzen welche Glut!

Dich sah ich, und die milde Freude
Floss von dem süßen Blick auf mich;
Ganz war mein Herz auf deiner Seite
Und jeder Atemzug für dich.
Ein rosafarb'nes Frühlingswetter
Umgab das liebliche Gesicht,
Und Zärtlichkeit für mich - ihr Götter!
Ich hoff' es, ich verdient' es nicht!

Doch ach, schon mit der Morgensonne
Verengt der Abschied mir das Herz;
In deinen Küssen, welche Wonne!
In deinem Auge, welcher Schmerz!
Ich ging, du stand'st und sah'st zur Erden,
Und sah'st mir nach mit nassem Blick;
Und doch, welch' Glück geliebt zu werden!
Und lieben, Götter, welch' ein Glück.

Johann Wolfgang von Goethe


Ade

Ade, ade! Herzliebste,
Es kann ja nicht anders sein!
Zum letzten Mal heut grüß' ich
Nach deinem Fensterlein.

O lächle nicht so freundlich,
Sei nicht so hold und gut!
Und könntest du mir zürnen,
Mir wäre leichter zu Mut.

An deine Lieb' und Treue
Was hab' ich für ein Recht?
Ade, ade! mir ist es,
Als ob ich sterben möcht'.

Franz Kugler


Der Abschied

Lass mein Aug' den Abschied sagen,
Den mein Mund nicht nehmen kann!
Schwer, wie schwer ist er zu tragen!
Und ich bin doch sonst ein Mann.

Traurig wird in dieser Stunde
Selbst der Liebe süßtes Pfand,
Kalt der Kuss von deinem Munde,
Matt der Druck von deiner Hand.

Sonst, ein leicht gestohl'nes Mäulchen,
O wie hat es mich entzückt!
So erfreuet uns ein Veilchen,
Das man früh im März gepflückt.

Doch ich pflücke nun kein Kränzchen,
Keine Rose mehr für dich.
Frühling ist es, liebes Fränzchen,
Aber leider Herbst für mich!

Johann Wolfgang von Goethe


Fahre wohl

Nun so sei's, so lass uns scheiden
Ohne Kuss und Druck der Hand,
Fahre wohl! Denn von uns beiden
Hat die Liebe sich gewandt.
Jenes Drängen, jenes Wogen,
Jenes Sehnen ohne Ruh' -
Fahre wohl! es hat gelogen,
Und enttäuscht sind ich und du.

Fürchte nichts! In dieser Stunde
Mische sich kein bittres Wort!
Fest die Hand auf meiner Wunde,
Ohne Klage geh' ich fort.
Sei beglückt! Ich kann verlassen,
Denn verlassen ward zur Pflicht!
Aber zürnen, ach! und hassen,
Wo ich liebte, kann ich nicht.

Habe Dank für alles Gute,
Habe Dank für jede Lust,
Jede glückliche Minute,
Die ich fand an deiner Brust,
Jeden Kuss, den du gewährest,
Jede süße Tändelei:
Lieben hast du mich gelehret,
Lehrst mich nun, was Leiden sei.

Wird mein Bildnis dir erscheinen
In dem Traumgesicht der Macht,
Sieh es ruhig ohne Weinen
Und vergiss es, kaum erwacht.
Mein Gedächtnis lass entschwinden,
Schnell, wie unser Glück entwich;
Einen andern magst du finden,
Den du treuer liebst als mich.

Schau nicht um dich, wenn ich gehe,
Senke nieder deinen Blick:
Denn er zög' in deiner Nähe,
Zöge mich zu dir zurück!
Fahre wohl! Die Lippen beben,
Und die Füße weigern sich -
Ach, nicht mit dir kann ich leben,
Kann nicht leben ohne dich!

Robert Prutz


Trennung

Noch einen mir, der Kraft mir leihe!
Gib, Weib, bevor ich scheiden muß,
Für Leben mir und Tod die Weihe
In einem langen, heil'gen Kuß!

Laß brennend ihm von deinem Munde
Mir bis des Herz des Herzens glühn,
Und duftend glänze diese Stunde
Gleich Rosen, die auf Gräbern blühn!

Um unsre seligsüßen Schmerzen
Soll sie, und um des Abschieds Qual,
Aufflammend halb wie Hochzeitskerzen
Und halb wie Leichenfakelstrahl;

Und fern noch in der Trennung Wehe
Mir leuchte sie, wenn ich verirrt
Am Rande des jähen Abgrunds stehe
Und alles um mich finster wird.

Friedrich von Schack


An Therese

Uns trennten keine Fernen, keine Meere,
Und keine Lasten eines harten Spruchs -
Und trennt das Leben mit der ganzen Schwere
Des hergebrachten, alten, schalen Fluchs.

So bleibst du in deines Hauses Kreisen,
In seiner frommen Stille schlummre du!
Ich will die Welt kometenhaft durchkreisen
Und fliehn und kommen, ohne Rast und Ruh.

Du bist das Gold, das zwischen Felsenriffen
Ausspendet durch die Nacht sein mildes Licht;
Ich bin das Eisen, das, zum Dolch geschliffen,
Ins Feindesherz auf seiner Irrfahrt bricht.

So lebe wohl! Ich sehe bald dich wieder!
O, dass der Trennung Weh ich fühlen muss.
Dass mir im Herzen klingen Scheidelieder
Bei jedem Wiedersehn und seinem Kuss!

Enträtselt ist mir nun die alte Klage
Vom tiefsten Weh im höchsten Liebesglück:
Du gabst mir goldne, glückdurchstrahlte Tage -
Nun sie entflohn, bleibt Nacht und Schmerz zurück.

Ich liebe dich, und das ist alles,
Was dir mein Herz gestehen kann.
Ich rede kurz, - ich bin ein Mann,
Was braucht es auch des längern Schalles!

Und noch zu viel - o, könnt' ich schweigen
Und mich verschließen fort und fort
Und dir aus keinem einz'gen Wort
Das Innre meines Herzens zeigen.

Wild ist der Sturm und wild mein Leben
Und trüber, als es ahnt dein Herz;
Ach, groß genug ist schon dein Schmerz,
Was sollst du noch für andre beben?

So ruheschön wie eine Hütte
Ist selbst im Leid dein Herz zu sehn.
Es soll auflodernd nicht vergehn
In meiner Liebe Flammenmitte.

Und nie verzieh' ich's meinem Herzen,
Wär' ich's, der frech heraufbeschwört
Den Geist, der dich unwürdig stört
In deinen großen heil'gen Schmerzen.

Moritz Hartmann


Winternacht

So selig zu plaudern, dass Stunden
Wie Tränen vergehn,
Wie rasch dann die Zeit entschwunden,
Am Dunkeln der Kerze nur sehn,
Das ist's, was so traulich uns macht
Die sausende, brausende Winternacht.

Zu plaudern, und wieder versunken
In uns allein,
Von innerster Wonne trunken,
Vertieft in Gedanken sein,
Das ist's, was zum Frühling und macht,
Die sausende, brausende Winternacht.

Zu scheiden, das Hoftor entriegeln,
Und scheidend das Glück
Mit einem Kusse besiegeln,
Ein Gruß noch, ein Wink noch zurück,
Lebt wohl, o Stunden, so selig verbracht,
In der sausenden, brausenden Winternacht!

Hermann Lingg


Lebewohl

"Lebe wohl" - Du fühlest nicht,
Was es heißt, dies Wort der Schmerzen;
Mit getrostem Angesicht
Sagtest du's und leichtem Herzen.

Lebe wohl! - Ach tausendmal
Hab ich mir es vorgesprochen,
Und in nimmersatter Qual
Mir das Herz damit gebrochen!

Eduard Mörike


Scheidelieder

Kein Lebwohl, kein banges Scheiden:
Viel lieber ein Geschiedensein:
Ertragen kann ich jedes Leiden,
Doch trinken kann ich's nicht wie Wein.

Wir saßen gestern noch beisammen
Von Trennung wüßt' ich selbst noch kaum;
Das Herz trieb seine alten Flammen,
Die Seele spann den alten Traum.

Dann rasch ein Kuß vom lieben Munde,
Nicht Schmerz getränkt, nicht Angst verkürzt:
Dann nenn' ich eine Abschiedsstunde,
Die leere Ewigkeiten würzt.

Friedrich Hebbel


Vor der Reise

Es graut vom Morgenreif
In Dämmerung das Feld,
Da schon ein blasser Streif
Den fernen Ost erhellt;

Man sieht im Lichte bald
Den Morgenstern vergehn,
Und doch am Fichtenwald
Den vollen Mond noch stehen:

So ist mein scheuer Blick,
Den schon die Ferne drängt,
Noch in das Schmerzensglück
Der Abschiedsnacht versenkt.

Dein blaues Auge steht,
Ein dunkler See, vor mir,
Dein Kuss, dein Hauch umweht,
Dein Flüstern mich noch hier.

An deinem Hals begräbt
Sich weinend mein Gesicht,
Und Purpurschwärze webt
Mir vor dem Auge dicht.

Die Sonne kommt; - sie scheucht
Den Traum hinweg im Nu,
Und von den Bergen streicht
Ein Schauer auf mich zu.

Eduard Mörike