Sehnsucht



Liebesgegenwart

O ihr süßen Liebesschmerzen
Eilt ihr meinen Schritten nach?
Ach! in meinem trunk'nen Herzen
Werden alle Bilder wach.
In den Zweigen singt die Wonne,
Sie erklingt im Liebesschall,
Ihre Bildung strahlt die Sonne
Durch die Schatten überall.
Wohin soll ich mich erretten,
Vor der süßesten Gewalt?
Ja, ich ziehe meinen Ketten
Mit mir durch den grünen Wald.

Ludwig Tieck


Mignon

Nur wer die Sehnsucht kennt,
Weiß, was ich leide!
Allein und abgetrennt
Von aller Freude,
Seh ich an's Firmament
Nach jeder Seite.
Ach! der mich liebt und kennt,
Ist in der Weite.
Es schwindelt mir, es brennt
Mein Eingeweide.
Nur wer die Sehnsucht kennt,
Weiß, was ich leide!

Johann Wolfgang von Goethe


Erwacht

Warum hast du's angerufen -
Schlief es doch so fest und still!
Da es nun in mir erwachte,
Weiß ich nicht, was werden will!

Mit den großen Sehnsuchtsaugen
Schaut's in jeden Tag hinein ...
Lieder sing' ich, müde Lieder,
Doch es schläft nicht wieder ein!

Anna Ritter


Liebesrausch

Warum hast du's angerufen -
Schlief es doch so fest und still!
Da es nun in mir erwachte,
Weiß ich nicht, was werden will!

Mit den großen Sehnsuchtsaugen
Schaut's in jeden Tag hinein ...
Lieder sing' ich, müde Lieder,
Doch es schläft nicht wieder ein!

Anna Ritter


Erhörung

Du saßest mir schräg über
Im Schatten vom Apfelbaum;
Die Blicke hinüber, herüber
Durchkreuzten den trennenden Raum.

In meinen Blicken lagen
Viel Bitten und dringend heiß:
Darf ich zu hoffen wagen?
Die deinen glänzten: Wer weiß!

Und schüchtern hob ich auf's Neue
Den Blick. Du schienest erweicht;
In deinen Augen Bläue
Da schimmerte: Vielleicht!

Doch als du zum dritten Male
Den Blick auf den Flehenden warfst,
Da leuchtet im Hoffnungsstrahle
Das sonnige Wort: du darfst!

Franz Freiherr von Gaudy


Lass tief in dir mich lesen

Lass tief in dir mich lesen,
Verhehl auch dies mir nicht,
Was für ein Zauberwesen
Aus deiner Stimme spricht.

So viele Worte dringen
Ans Ohr uns ohne Plan,
Und während sie verklingen,
Ist alles abgetan.

Doch drängt auch nur von ferne
Dein Ton zu mir sich her,
Behorch' ich ihn so gerne,
Vergess' ich ihn so schwer.

Ich bebe dann, entglimme
Von allzu rascher Glut,
Mein Herz und deine Stimme
Verstehn sich gar zu gut!

Graf August von Platen


Sehnsucht

Könnt ich wie Alpen ragen
Mit dir ins Lichtgezelt.
Gleich einer Wolke tragen
Dich ob der niedern Welt;
Könnt ich auf Adlerschwingen
Dich heben, ruhevoll;
Bis unter dir verklingen
Sollt jeder Erdengroll.

Nun musst du durch die Gassen
Und durch den Menschenschwarm,
Ich kann dich nur umfassen
Mit schwachem Menschenarm.

Ich kann dich nur beschirmen
Mit Liebesglück und Schmerz;
Und retten aus den Stürmen
Nur an mein eignes Herz.

O komm, mit ihm zu teilen,
Und lass es immerdar,
O komm, an ihm zu weilen,
Wo deine Heimat war.
Eh deine Stirn umfangen
Des Lebens erster Gram,
Eh dir mit stummen Bangen
Die erste Sehnsucht kam.

Wilhelm Jensen


Wenn still mit seinen letzten Flammen

Wenn still mit seinen letzten Flammen
Der Abend in das Meer versank,
Dann wandeln traulich wir zusammen
Am Ufer in dem Buchengang.

Wir sehn den Mond durch Wolken steigen,
Wir hören fern die Nachtigall,
Wir atmen Düfte; doch wir schweigen -
Was soll der Worte leerer Schall!

Das höchste Glück hat keine Lieder,
Der Liebe Lust ist still und mild,
Ein Kuss, ein Blicken hin und wieder-
Und alle Sehnsucht ist gestillt.

Emanuel Geibel


An Hermann

Unter Tränen rissest du dich von meinem Halse!
In die Finsternis lang sah ich verworren dir nach.
Wie? auf ewig? sagtest du so? Dann lässet auf ewig
Meine Jugend von mir, lässet mein Genius mich!
Und warum? bei allem, was heilig, weißt du es selber,
Wenn es der Übermut schwärmender Jugend nicht ist?
O verwegenes Spiel! Komm! nimm dein Wort noch zurücke!
- Aber du hörtest nicht, ließest mich staunend allein.
Monde vergingen und Jahre; die heimliche Sehnsucht im Herzen,
Standen wir fremd, es fand keiner ein mutiges Wort,
Um den kindischen Bann, den luftgewebten, zu brechen,
Und der gemeine Tag löschte bald jeglichen Wunsch.
Aber heutige Nacht erschien mir wieder im Traume
Deine Knabengestalt - Wehe! wo rett' ich mich hin
Vor dem lieblichen Bild? Ich sah dich unter den hohen
Maulbeerbäumen im Hof, wo wir zusammen gespielt.
Und du wandtest dich ab, wie beschämt, ich strich dir die Locken
Aus der Stirne: O du, rief ich, was kannst du dafür!
Weinend erwacht ich zuletzt, trüb schien der Mond auf mein Lager,
Aufgerichtet im Bett saß ich und dachte dir nach.
O wie tobte mein Herz! Du fülltest wieder den Busen
Mir, wie kein Bruder vermag, wie die Geliebte nicht kann!

Eduard Mörike


Hindernis

Um Mitternacht am Gittertor -
So hatten wir's beschlossen,
Sie harrte d'rinnen, ich stand davor -
Wir fanden das Gitter verschlossen.

Da lachten die Augen, der Mund so süß -
Ich konnt' sie nicht erlangen!
Es trennten mich von dem Paradies
Die stummen Eisenstangen.

Eduard von Bauernfeld


Der Liebe Sehnsucht

Was ziehen die Wolken am Himmel dahin,
Entführten mir ferne den fröhlichen Sinn,
Verschweben in Sonnen-, in Sternenschein; -
Wie mag es so selig da droben sein!

Was rauschen die Wogen am Uferrand,
Bespülen liebend das blühende Land;
Der Himmel lächelt tief in sie hinein, -
Wie mag es so selig dort unten sein!

Was klopft das Herz mir so bang in der Brust,
In süßem Schmerz und in zagender Lust;
Was fordert sein Auge die Seele mein, -
O könnt' ich denn selig auf Erden sein? -

Ida Gräfin Hahn-Hahn


Serenade

Ihr blauen Augen, gute Nacht!
Schließt euch zu holden Träumen,
Auf dass ihr hell und frisch erwacht,
Wenn golden sich die Wolken säumen;
Ihr blauen Augen, gute Nacht!

Ihr roten Lippen, gute Nacht!
Wenn Sterne sich am Himmel zeigen,
Schließt ja den Kelch der rose Pracht;
So schließt auch euch zu holdem Schweigen,
Ihr roten Lippen gute Nacht!

Du holdes Antlitz, gute Nacht!
Wer würde Tagesglanz vermissen,
Wenn hell noch deine Schönheit wacht;
Drum birg dich tief im weichen Kissen ,
Du holdes Antlitz, gute Nacht!

Friedrich Halm


Ersatz

Zwar ich lernte früh ertragen,
Was mir Bittres widerfuhr,
Denn ein schmerzliches Entsagen
Ist dies kurze Dasein nur.

Alle Sehnsucht ruft vergebens,
Wie ein Ach, im Wind verhaucht,
Einem Glück, das in des Lebens
Dunkeln Strom hinabgetaucht.

Aber trifft von deinem Munde
Nur ein flüchtig Wort mein Ohr,
Dann ersetzt mir die Sekunde,
Was in Jahren ich verlor.

Heinrich Leuthold


Sie weiß es nicht, wie ich mich wiege

Sie weiß es nicht, wie ich mich wiege
In Träumen von ihr,
Und auf der Sehnsucht Schwingen fliege
Wachend zu ihr,
Und wie ich immer flüstr' und kose
Und rede mit ihr,
Und stehen bleib vor jeder Rose,
Als stünd' ich vor ihr;
Wie all mein Sehnen, mein Verlangen
Strebt nach ihr,
Und alles mir ist aufgegangen
Einzig in Ihr.

Hoffmann von Fallersleben


Sehnsucht

Was weckst du mich auf in der traurigen Nacht,
Du sehnsuchtflötende Nachtigall?
Nun ist mir deinem melodischen Schall
Auch ein Widerhall
Vergangenen Glücks erwacht.

Wie heute schlugst du im Lindenbaum . . .
Ich herzte und küsste mein rosiges Kind,
Die Saiten der Liebe erbebten gelind
Wie Harfen im Wind,
O seliger Maientraum.

Und endlich - den Lenz und die Liebe im Sinn -
Nach Jahren gekommen, wie lachte so blau
Der Himmel, wie blitzte und perlte der Tau
Auf blumiger Au,
Doch die Liebe, sie war dahin.

Was lockst du mich wieder mit dunkler Gewalt,
Mit Lügen von Lenz und von Liebeslust?
Da längst doch verdorrt in der eigenen Brust
Der duftende Blust,
Und die jubelnden Lieder verhallt.

Heinrich Leuthold


Du, mein Glück

Meine Seele, eine Taube,
Lang verflogen und verirrt,
Regt nun zwischen lauter Blüten
Auf dem schönsten Frühlingsbaume
Ihre Flügel leis vor Glück.

Du mein Baum voll lauter Blüten!
Du mein Glück! Du meine Ruh!
Meiner Sehnsucht weiße Taube
Regt die Flügel, regt die Flügel
Dir im Schoß. Süße! Süße!
Welch ein Wunder: Ich und du!

Otto Julius Bierbaum


Fühle nur

Einsam bist du? Sieh, die vielen Sterne
Stehn, ein Weltenkranz, ob deinem Haupte,
Und die Lindenbäume, Kronenträger,
Schicken ihre Düfte dir ins Zimmer.
Fühle nur! Saug ein und gib dich wieder!
Schmähe niemand, schmäh auch dich nicht selber!
Denk: du darfst auf dieser reichen Erde
Durch den sonnenvollen Weltraum fliegen,
Und dein Herz gehört auch zu den Sternen,
Die ein bißchen Licht und Wärme strahlen.

Otto Julius Bierbaum


Ich muß dein gedenken

Ich suche durch Mühen
Meine Gedanken
Von dir zu lenken,
Aber sie glühen
Zu dir ohne Wanken,
Ich muß dein gedenken!
Wie nach der Sonne verlangen die Reben,
Verlangt mich's nach dir, meine Sonne, mein Leben!

Friedrich Bodenstedt


Die Amsel

Da die Nacht mit Laternen noch draußen stand,
Der Schlaf und der Träume glitzender Fächer
Um Haus und Himmel aufgespannt,
Da sang an mein Bett weit über die Dächer,
Da sang vor der Stund', eh' mit bläulicher Hand
Der Morgen sich unter den Sternen durchfand,
Eine Amsel aus Finster und Fernen.
Eh' noch den Laternen das Licht verflacht,
Hat schon die Amsel die Sehnsucht gepackt.
Sie sang von Inbrunst aufgeweckt
Mit dem Herz, daß ihr heiß in der Kehle steckt.
Sie sang von Lieb', die sich aufmacht,
Und durch die schlafenden Mauern lacht.

Max Dauthendey


Im Glanze deines Angesichtes

Im Glanze deines Angesichtes
Ward mein Sehnsucht Mond erhellt.
Am milden Strahle deines Lichtes
Erblühte meine inn're Welt.

Du bist zur Sonne mir geworden,
Die immer scheint und freundlich lacht,
Die wie die Sonn' im hohen Norden
Auch scheint in später Mitternacht.

Hoffmann von Fallersleben


Auf der Bergeshöh

Auf der Bergeshöh,
Wo die Stürme gehen -
Mein Lieb, wie hieltest du mich!
Ein Lichtlein stand
Weit drüben im Wald,
Und der Mantel wehte um dich!

Wie Frühling zogs
Durch die Lüfte hin,
Wir lauschten still in die Nacht:
Die Sehnsucht war,
Ein jubelndes Kind,
Aus dem Winterschlafe erwacht.

Auf der Bergeshöh
Liegt der Schnee so tief,
Das blanke Lichtlein erblich ...
Der Wind schleicht müd'
Durch das träumende Land -
Mein Lieb, wo findet er dich?

Anna Ritter


Wenn einst der letzte

Wenn einst der letzte
Rollende Glutball
Donnernd sich vermählt
Mit der Ursonne Glanzmeer,
Wo dann, Geliebte,
Sind unsre Küsse?
In welcher Flamme
Knistern sie hin?
In welchem Wirbelrauch
Schmilzt unser Staub?
In der Riesenumarmung
Zweier Welten
Zuckt auch deines Leibes
Und des meinen
Übergewaltige
Liebessehnsucht ---

Wilhelm Walloth


Der Sommerfaden

Da fliegt, als wir im Felde gehen,
ein Sommerfaden über Land,
ein leicht und licht Gespinst der Feen,
und knüpft von mir zu dir ein Band.
Ich nehm ihn für ein günstig Zeichen,
ein Zeichen, wie die Lieb es braucht.
O Hoffnungen der Hoffnungsreichen,
aus Duft gewebt, von Luft zerhaucht!

Ludwig Uhland


Dir Mädchen, schlägt mit leisem Beben

Dir Mädchen, schlägt mit leisem Beben
Mein Herz voll Treu' und Liebe zu.
In dir, in dir versinkt mein Streben,
Mein schönstes Ziel bist du!
Dein Name nur in heil'gen Tönen
Hat meine kühne Brust gefüllt;
Im Glanz des Guten und des Schönen
Strahlt mir dein holdes Bild.

Die Liebe sproßt aus zarten Keimen,
Und ihre Blüten welken nie!
Du, Mädchen, lebst in meinen Träumen
Mit süßer Harmonie.
Begeist'rung rauscht auf mich hernieder,
Kühn greif' ich in die Saiten ein,
Und alle meine schönsten Lieder,
Sie nennen dich allein.

Mein Himmel glüht in deinen Blicken,
An deiner Brust mein Paradies.
Ach! Alle Reize, die dich schmücken,
Sie sind so hold, so süß.
Es wogt die Brust in Freud' und Schmerzen,
Nur ein Gedanke hier im Herzen:
Der ew'ge Drang nach dir.

Theodor Körner