Frühlingsgefühle
Wie herrlich leuchtet
Mir die Natur!
Wie glänzt die Sonne
Wie lacht die Flur!
Es dringen Blüten
Aus jedem Zweig
Und tausend Stimmen
Aus dem Gesträuch.
Und Freud' und Wonnen
Aus jeder Brust.
O Erd', o Sonne!
O Glück, o Lust!
O Lieb', o Liebe!
So golden schön,
Wie Morgenwolken
Auf jenen Höh'n!
Du segnest herrlich
Das frische Feld,
Im Blütendampfe
Die volle Welt.
O Mädchen, Mädchen,
Wie lieb' ich dich!
Wie blickt dein Auge!
Wie liebst du mich!
So liebt die Lerche
Gesang und Luft,
Und Morgenblumen
Den Himmelsduft,
Wie ich dich liebe
Mit warmem Blut,
Die du mir Jugend
Und Freud' und Mut
Zu neuen Liedern
Und Tänzen gibst.
Sei ewig glücklich,
Wie du mich liebst!
Johann Wolfgang von Goethe
Der Frühling blüht! Herz - war er je so schön?
Lag je ein solcher Schimmer auf den Höhn
Und in den Tälern solch ein lieber Glanz?
Ein jeder Baum trägt einen Blütenkranz -
Auch du, mein Haupt, willst unter grünen Zweigen
Dich ahnungsvoll dem Glück entgegen neigen!
Die beiden Hände drück' ich auf die Brust -
Ist's Schmerz, der drinnen lodert, ist es Lust?
Ach, wunderlich verwoben und verwebt
Ist Beides mir, und meine Sehnsucht schwebt
Darüber hin, aus dieses Frühlings Tagen
In der Erfüllung Frieden mich zu tragen.
Anna Ritter
Warum ziehst du mich unwiderstehlich
Ach in jene Pracht?
War ich guter Junge nicht so selig
In der öden Nacht?
Heimlich in mein Zimmerchen verschlossen,
Lag im Mondenschein
Ganz von seinem Schauerlicht umflossen,
Und ich dämmert' ein;
Träumte da von vollen gold'nen Stunden
Ungemischter Lust,
Hatte ganz dein liebes Bild empfunden
Tief in meiner Brust.
Bin ich's noch, den du bei so viel Lichtern
An dem Spieltisch hältst?
Oft so unerträglichen Gesichtern
Gegenüber stellst?
Reizender ist mir des Frühlings Blüte
Nun nicht auf der Flur;
Wo du, Engel, bist, ist Lieb' und Güte,
Wo du bist, Natur.
Johann Wolfgang von Goethe
Die linden Lüfte sind erwacht,
Sie säuseln und weben Tag und Nacht,
Sie schaffen an allen Enden.
O frischer Duft, o neuer Klang!
Nun armes Herze, sei nicht bang!
Nun muss sich alles, alles wenden.
Die Welt wird schöner mit jedem Tag,
Man weiß nicht, was noch werden mag,
Das Blühen will nicht enden;
Es blüht das fernste, tiefste Tal:
Nun, armes Herz, vergiss der Qual!
Nun muss sich alles, alles wenden.
Ludwig Uhland
Wie lieb und hold ist Frühlingsleben,
Wenn alle Nachtigallen singen,
Und wie die Tön‘ in Bäumen klingen
In Wonne, Laub und Blüten beben.
Wie schön im gold'nen Mondenscheine
Das Spiel der lauen Abendlüfte,
Die, auf den Flügeln Lindendüfte,
Sich jagen durch die stillen Haine.
Wie herrlich glänzt die Rosenpracht,
Wenn Liebreiz rings die Felder schmücket,
Die Lieb' aus tausend Rosen blicket,
Aus Sternen ihrer Wonne-Nacht.
Doch schöner dünkt mir, holder, lieber,
Des kleinen Lichtleins blass Geflimmer,
Wenn sie sich zeigt im engen Zimmer,
Späh‘ ich in Nacht zu ihr hinüber.
Wie sie die Flechten löst und bindet,
Wie sie im Schwung der weißen Hand
Anschmiegt dem Leibe hell Gewand,
Und Kränz‘ in braune Locken windet.
Wie sie die Laute lässt erklingen,
Und Töne, aufgejagt, erwachen,
Berührt von zarten Fingern lachen,
Und scherzend durch die Saiten springen.
Sie einzufangen schickt sie Klänge
Gesanges fort, da flieht mit Scherzen
Der Ton, sucht Schirm in meinem Herzen,
Dahin verfolgen die Gesänge.
O lasst mich doch, ihr Bösen, frei!
Sie riegeln sich dort ein und sprechen:
Nicht weichen wir, bis dies wird brechen,
Damit du weißt, was Lieben sei.
Ludwig Tieck
An ihren bunten Liedern klettert
Die Lerche selig in die Luft;
Ein Jubelchor von Sängern schmettert
Im Walde voller Blüt' und Duft.
Da sind, soweit die Blicke gleiten,
Altäre festlich aufgebaut,
Und all' die tausend Herzen läuten
Zur Liebesfeier dringend laut.
Der Lenz hat Rosen angezündet
An Leuchtern von Smaragd im Dom;
Und jede Seele schwillt und mündet
Hinüber in den Opferstrom.
Nicolaus Lenau
Im Frühling, wenn sich Baum und Strauch
Hat bräutlich angezogen,
Da kommen mir die Wünsche auch
Gleich Lerchen angeflogen.
Ich möchte sein ein stolzer Baum,
Hoch in den Himmel ragen,
Ich möchte des Waldes grünen Raum
Als flinkes Reh durchjagen.
Ein starker Adler möchte ich sein,
Aufwärts zur Sonne streben,
Ich möchte der Blumen bunte Reihn
Als Schmetterling durchschweben.
Ich möchte als Sturm durch Meere hin,
Wild tanzen meinen Reigen,
Doch - nein - ich bleibe, wer ich bin,
Wenn du nur wärst mein eigen.
Theobald Kerner
Kein schönre Zeit auf Erde ist,
Als wie die Zeit im Maien:
Kein höher Freud auf Erden ist,
Als gehen im Mai zu zweien, zu zweien,
Im Herzen lauter Sonnenschein,
Durchwandern Wiese, Feld und Hain,
Im Mai soll man nichts üben,
Als lieben, nur lieben.
Schon ist der holde Mai gekehrt,
Die Lüfte wehen linde,
Und ward dir noch kein Lieb beschert,
So such dir ein geschwinde, geschwinde!
Die Vöglein singen früh und spat:
So ist's bestimmt in Gottes Rat,
Im Mai soll man nichts üben,
Als lieben, nur lieben!
Julius Sturm
Wie flammst du heut so mächtig wieder,
Als zöge dich zur Erde nieder
Die Sehnsucht einer ew'gen Macht.
So herrlich sehn wir dich entbrennen,
Daß wir dich Stern der Liebe nennen,
Du hellster in der Frühlingsnacht!
Bist du des Himmels gold'ne Zähre -
Die über uns und unsere Sphäre
Ein Engel der Erbarmung weint?
Sind wohl auf dir die Friedensauen,
Wo Seelen einst sich wiederschauen
Nach Leid' und Todesschmerz vereint?
Hermann Lingg
Ich sag euch was: der Lenz geht um,
Nehmt euch in acht, ihr Leute!
Er ist so heimlich, still und stumm,
Als ging er aus auf Beute.
Seid nur behutsam, wo ihr steht,
Und blickt umher ein Weilchen;
Denn plötzlich, eh ihr euch's verseht,
Schießt auf ein keckes Veilchen.
O traut jetzt keinem alten Baum,
Weit eher noch den jungen!
Denn eine Knospe, wenn ihr's kaum,
Noch ahnt, ist aufgesprungen.
Wer träumend wandelt durch ein Tal,
Der möge sich besinnen;
Die Lerche kann mit einemmal
Ihr schmetternd Lied beginnen.
Mit Vorsicht und Behutsamkeit
Ins Aug der Mädchen schaue!
Gefährlich ist in dieser Zeit
Das schwarze wie das blaue.
Ich sag euch was: die Lieb geht um;
Nehmt euch in acht, ihr Leute!
Sie ist so heimlich, still und stumm
Und sie geht aus auf Beute.
Emil Kuh
Übern Garten durch die Lüfte
Hört ich Wandervögel ziehn,
Das bedeutet Frühlingsdüfte,
Unten fängt's schon an zu blühn.
Jauchzen möcht ich, möchte weinen,
Ist mir doch, als könnt's nicht sein;
Alte Wunder wieder scheinen
Mit dem Mondesglanz herein.
Und der Mond, die Sterne sagen's,
Und in Träumen rauscht's der Hain,
Und die Nachtigallen schlagen's:
Sie ist deine, sie ist dein!
Joseph von Eichendorff
Wer hat das erste Lied erdacht,
Das in die Lüfte scholl?
Der Frühling war's in lauer Nacht,
Das Herz voll Wonnen voll.
Er sang es früh im Fliederbaum
Und schlug den Takt dazu:
"O Maienzeit, o Liebestraum,
Was ist so süß wie du?"
Da kamen Mück und Käferlein,
Waldvöglein sonder Zahl,
Die übten sich die Weise ein
Wohl an die tausend Mal,
Sie trugen's durch den Himmelsraum
Und durch die Waldesruh!
"O Maienzeit, o Liebestraum,
Was ist so süß wie du?"
Mir sang's am Bach die Nachtigall,
Da ward mir wonnig weh:
Nun folgt das Lied mir überall
Durch Duft und Blütenschnee.
Ich pflück den Zweig vom Fliederbaum
Und sing es immerzu:
"O Maienzeit, o Liebestraum,
Was ist so süß wie du!"
Viktor Blüthgen
Herab von den Bergen zum Tale,
Vom Tal zu den Höhen hinan,
So zieh ich wohl tausend Male,
Der Frühling zieht mir voran.
Der Strom im Morgenrote
Lockt blinkend das Ufer entlang,
Der Mond, der Friedensbote,
Geht mit mir am Himmel den Gang.
Und alle die Vögel, die singen
Im Wald so wundervoll,
Von tausend herrlichen Dingen,
Die ich noch finden soll.
Sie singen: "Wohl weit in der Ferne,
Da rauschet ein waldiger Grund,
Drin glänzen zwei selige Sterne,
Drin blüht ein vielrosiger Mund.
Die Sterne, die sollen dich grüßen,
So fromm wie sie keinem getan!
Den Mund, den mund sollst du küssen,
Du glücklicher Wandersmann.
Emanuel Geibel
Rosen, die die Luft mit Düften würzen,
Halme, die vom Wind sich flüsternd neigen,
Quellen, die ins Tal sich rauschend stürzen,
Lerchen, die zum Himmel jubelnd steigen.
Junge Herzen, reich an Liebeswonne,
Über allem hoch die Frühlingssonne,
Tretet ein, geöffnet sind die Pforten,
Und ein Paradies ist allerorten.
Julius Sturm
Naht der Frühling hell und heiter,
Fahr ich in die Welt hinaus,
Immer stiller, immer weiter,
Und mein einziger Begleiter,
Ist ein blauer Veilchenstrauß.
Da mit traurigem Gemüte
sie bei mir im Garten stand
Und ihr Auge feucht erglühte,
Band den Strauß sie, Blüt an Blüte,
Zitterns mit der lieben Hand.
Tät ihn an das Herz mir legen,
Küsste mich und sprach zu mir:
"Nimm die Blumen fromm entgegen,
Denn auf allen deinen Wegen
Blühen keine schönern dir.
Liebehauch, von meinem Munde
Schloss ich in die Veilchen ein,
Das Gedächtnis dieser Stunde
Lebt in ihrer Kelche Grunde,
Lässt sie unverwelklich sein!"
Und das Wunder ist geschehen
Nach der Liebsten Zauberwort:
Ihre Augen muss ich sehen,
Ihren Atem fühl ich wehen,
Und die Veilchen blühen fort.
Max Kalbeck
Im Rosenbusch die Liebe schlief,
Der Frühling kam, der Frühling rief;
Die Liebe hört's, die Lieb erwacht,
Schaut aus der Knosp hervor und lacht
Und denkt, zu zeitig möcht's wohl sein,
Und schläft dann ruhig wieder ein.
Der Frühling aber lässt nicht nach,
Er küsst sie jeden Morgen wach,
Er kost mit ihr von früh bis spat,
Bis sie ihr Herz geöffnet hat
Und seine heiße Sehnsucht stillt,
Und jeden Sonneblick vergilt.
Hoffmann von Fallersleben
Wenn der silberne Mond durch die Gesträuche blinkt
Und sein schlummerndes Licht über den Rasen streut,
Und die Nachtigall flötet,
Wandl' ich traurig von Busch zu Busch.
Überhüllet von Laub, girret ein Taubenpaar
Sein Entzücken mir vor, aber ich wende mich,
Suche dunklere Schatten,
Und die einsame Träne rinnt.
Wann, o lächelndes Bild, welches wie Morgenrot
Durch die Seele mir strahlt, find ich auf Erden dich?
Und die einsame Träne
Bebt mir heißer die Wang herab.
Ludwig Hölty
Sieh da: Die Weide schon im Silberpelz,
Die Birken glänzen, ob auch ohne Laub,
In einem Lichte, das wie Frühling ist.
Der graue Himmel zeigt türkisenblau
Ganz schmale Streifen, und ich weiß, das ist
Des jungen Jahres erster Farbenklang,
Die ferne Flöte der Beruhigung:
Die Liebe hat die Flügel schon gespannt,
Sie naht gelassenen Flügels, himmelher,
Bald wird die Erde bräutlich heiter sein.
Nun Herz, sei wach und halte dich bereit
Dem holden Gaste, der mit Blumen kommt
Und Liebe atmet, wie die Blume Duft.
Sei wach und glaube: Liebe kommt zu dir,
Wenn du nur recht ergeben und getrost
Dich auftust wie ein Frühlingsblumenkelch.
Otto Julius Bierbaum
Frühling, o du süßer Junge!
Deine Beine sind so zärtlich
Schlank und deine schmalen Lippen
Feucht.
Wie du schreitest! Wie die Locken fliegen
Und das blaue Band im blonden Haare!
Wie es duftet, wo dein Mantel wehte!
Frühling, süßer, saftgebenedeiter
Siegerknabe mit den Mädchenbrüsten,
Hauch mich an mit deinem Blumenatem,
Der ich dich jetzt tiefer kenn und liebe,
Deiner Brünste voller bin ich ehmals.
Neig dich mir, o süßer Knabe, süßres
Mädchen! Ich vergehe sonst vor Sehnsucht,
Dich zu fühlen.
Otto Julius Bierbaum
Wenn der Frühling auf die Berge steigt
Und im Sonnenstrahl der Schnee zerfließt,
Wenn das erste Grün am Baum sich zeigt
Und im Gras das erste Blümlein sprießt -
Wenn vorbei im Tal
Nun mit einemmal
Alle Regenzeit und Winterqual,
Schallt es von den Höh'n
Bis zum Tale weit:
O, wie wunderschön
ist die Frühlingszeit!
Wenn am Gletscher heiß die Sonne leckt,
Wenn die Quell von den Bergen springt,
Alles rings mit jungem Grün sich deckt
Und das Luftgetön der Wälder klingt -
Lüfte lind und lau
Würzt die grüne Au,
Und der Himmel lacht so rein und blau,
Schallt es von den Höh'n
Bis zum Tale weit:
O, wie wunderschön
Ist die Frühlingszeit!
War's nicht auch zur jungen Frühlingszeit,
Als dein Herz sich meinem Herz' erschloß?
Als von dir, du wundersüße Maid,
Ich den ersten langen Kuß genoß?
Durch den Hain erklang
Heller Luftgesang,
Und die Quelle von den Bergen sprang -
Scholl es von den Höh'n
Bis zum Tale weit:
O, wie wunderschön
Ist die Frühlingszeit!
Friedrich Bodenstedt
Unter Regen, Kält' und Sturm
Wagt er sich ins dunkle Leben.
Laßt doch den Johanniswurm
Um die weiße Rose schweben!
Gönnt doch mir den kleinen Glanz,
Den die Liebe mir verliehen!
Laßt doch auch zum Reigentanz
Meine Frühlingsträume ziehen!
Hoffmann von Fallersleben
Storch und Schwalbe sind gekommen,
Veilchen auch, die blauen frommen
Frühlingsaugen, grüßen mich;
Aber hin an Lenz und Leben
Zieh' in Bangen ich und Beben -
Um dich.
Ach, um dich! Und doch, ich fühle:
Trete jetzt die Todeskühle
An mein Herz und riefe mich,
Wie ein Kind dann, unter Jammern
Würd' ich mich ans Leben klammern -
Um dich.
Theodor Fontane
Freude jubelt; Liebe waltet;
Auf! Beginnt den Maientanz!
Zephyrs lindem Hauch entfaltet
Sich der Blumengöttin Kranz.
In des Forstes geheimer Dichte
Girrt und flötet Minnelaut;
Unterm Grün, im Abendlichte,
Rosen Bräutigam und Braut.
Ball und Opern freun den Städter,
Affembleen die Städterin,
Uns entzückt der Frühlingsäther,
Uns der Haine Baldachin.
Krönt der frohe Weisheit Becher!
Horcht der Wipfel Silberschall!
Webt verschwiegen Blätterdächer!
Ruht auf Moos am Wasserfall!
Mit des Sinngrüns blauen Glocken
Schmückt der holden Jungfraun Haar!
Tanzt beweht von Blütenflocken!
Wallt im Zwielicht Paar und Paar!
Heute Kuß auf Kuß der Trauten,
Jüngling! Die sich dir ergab:
Viel, ach! viel der Zähren tauten
Schon auf junger Bräute Grab!
Friedrich von Matthisson
Im hohen Gras der Knabe schlief,
Da hört' er's unten singen,
Es war, als ob die Liebste rief,
Das Herz wollt' ihm zerspringen.
Und über ihm ein Netze wirrt
Durch Blumen leises Schwanken,
Durch das die Seele schmachtend irrt
In lieblichen Gedanken.
So süße Zauberei ist los,
Und wunderbare Lieder
Geh'n durch der Erde Frühlingsschoß,
Die lassen ihn nicht wieder.
Joseph Freiherr von Eichendorff